kinks.de: Wann wird dein neues Buch über die Kinks endlich auf den Markt kommen?
Doug Hinman: Der offizielle Veröffentlichungs-Termin ist der 30. Januar. Aber ich sollte schon so etwa Mitte Januar eine Anzahl an Exemplaren anbieten können. Interessenten sollten auf meiner Website vorbeischauen, um Details zu erfahren.
Worum geht es in dem Buch?
Das Buch ist eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse der Karriere der Kinks. Hauptsächlich enthält es Daten der Konzerte, TV- und Radio-Auftritte sowie der Plattenaufnahmen. Zwar sind Informationen über die Erstveröffentlichungen enthalten, aber der Schwerpunkt liegt nicht auf der Diskographie. Diese ist in meinem vorherigen Buch detailliert nachzulesen ("You Really Got Me").
Das Buch ist bereits vor einigen Jahren angekündigt worden. Warum dauerte seine Fertigstellung so lange?
Ich habe mit dem ursprünglichen Projekt bereits 1984 begonnen, also vor 20 Jahren, als die drei bedeutenden Biographien über die Band erstmals erschienen und ich den drei Autoren assistierte. Ursprünglich hatte ich eine genaue Welt-Diskographie geplant, die letztlich zehn Jahre später fertiggestellt werden konnte. In der frühen Recherche-Phase für dieses Buch entstand die Idee, ein zusätzliches Buch zu machen. Für das begann ich zur gleichen Zeit mit der Recherche, da alle Informationen über die Karriere auch für das erste Buch relevant waren (z.B. der Versuch, Daten für Aufnahme-Sessions darüber zu bestimmen, wenn sie nicht auf Tour waren). An einem Punkt in den Achtzigern wollte ich beide Projekte in einem großen Projekt kombinieren, aber das wurde mir zuviel, und ich entschied mich wieder dafür, es in zwei Teilen zu machen. Nachdem der Diskographie-Teil 1994 veröffentlicht worden war, brauchte ich eine Pause. Außerdem gründete ich eine Familie und orientierte mich beruflich neu. Es wurde schwierig, das Buch im Alleingang fertigzustellen, und erst im letzten Jahr wurde mir das Angebot unterbreitet, es außerhalb meiner eigenen Verlags-Verantwortung zu machen und mit einem Herausgeber zusammen zu arbeiten. Ihm traute ich zu, mir bei der Fertigstellung von Text und Inhalt zu helfen. Ich musste eine Reihe von Kompromissen in Bezug auf meine ursprüngliche Vision des Buchs eingehen, aber letztlich mussten diese Kompromisse sein, um das Ganze fertigzustellen.
Was waren das für Kompromisse? Musstest du den Inhalt des Buches "popularisieren"?
Nein, die Kompromisse gingen fast alle vom limitierten Umfang des Buches aus. Die Länge war nicht beliebig erweiterbar. Wegen des Budgets, das für das Buch zur Verfügung stand, hatten die Verleger zu Beginn einen geringeren Umfang ins Auge gefasst. Ihr ursprüngliches Ziel war sogar die Zeit, um die das Buch sich drehen soll, auf die Hauptzeit der Popularität der Band zu begrenzen. Ich bestand aber darauf, dass es die ganze Karriere beleuchten sollte, was eine SEHR lange Zeit ist, wenn man die Detailtiefe bedenkt, die ich habe. Sie haben dem zugestimmt (und das war für sie die einzige Möglichkeit, das Buch zu machen), aber bei der ganzen Menge an Details, die wir zu präsentieren hatten, mussten andere geplante Teile des Buchs wie das Bildmaterial gekürzt werden. Wir mussten Reproduktionen von Konzert-Anzeigen gänzlich streichen, und die Zahl der Fotos musste am Ende heruntergefahren werden. Zunächst strichen wir Farbfotos und zum Schluss wurden es auch weniger in schwarz-weiß. So ist es hauptsächlich ein textbetontes Buch geworden, mehr als es ursprünglich geplant war. Letztlich ist es aber die Story und der Text, die ausschlaggebend sind und den Fakt unterstreichen, das die Recherche schwierig war.
Du schreibt über 35 Jahre der Karriere der Kinks. Was war das größte Problem bei der Recherche? Vielleicht kannst du ein Beispiel für Fakten geben, die schwer herauszufinden waren.
So gut wie alles in der Recherche über die Karriere der Kinks ist in vielerlei Hinsicht schwierig. Zunächst weil sie eine Aura von Chaos, Spontaneität und Geheimnis umgibt. Außerdem haben sie eine miserable Überlieferung ihrer Aktivitäten hinterlassen. Ich würde sagen, dass ich ein sehr sorgfältiger Rechercheur bin, und ich habe geschlagene zwanzig Jahre gebraucht, um die Informationen für das Buch zusammenzutragen. Einige Aspekte zu klären, z.B. konkrete Daten über Aufnahme-Sessions, war sehr frustrierend. Entweder sind sie nicht überliefert oder aber es gibt kein Zugang zu solchen, die überliefert sind. Wer mich kennt, weiß, dass ich jeder erfolgversprechenden Spur gefolgt bin, wenn ich dazu in der Lage war. Wer wie bei den Beatles einen sekundengenauen Bericht der Szenen hinter dem Vorhang erhofft, wird zu viel erwarten. Jeder Schritt der Beatles wurde irgendwo auf Papier festgehalten. Die Kinks haben ein Vermächnis von äußerstem Chaos hinterlassen. Während die Nachforschungen im Radio- und Fernsehbereich letztlich beweis- und deshalb überwindbar waren, war die Zusammenstellung der Konzertgeschichte der Sechziger eine herkulische Aufgabe. Es ist unmöglich zu wissen, wie vieles möglicherweise immer noch fehlt, aber ich bin überzeugt, dass ich das meiste habe. Obwohl ich glaube, dass ich so gut wie alles aufgespürt habe, zu dem ich einen Hinweis finden konnte, gibt es immer noch einige mysteriöse Gigs, von denen ich nicht weiß, wann und wo sie möglicherweise stattgefunden haben, weil ich sie auch nach zwanzig Jahren nicht dingfest machen konnte. Noch zum letztmöglichen Zeitpunkt, als das Buch für den Druck vorbereitet wurde, konnte ich einige Gigs der 60er hinzufügen, die sich erst kurz vor Toreschluss erhellten.
Kannst du uns ein Beispiel für einen solchen "mysteriösen Gig" geben?
Sicher. Als ich 1985/6 ernsthaft mit der Konzert-Recherche begann, hatte ich die Chance, mit Ken Jones, dem langjährigen Tour-Manager der Kinks, einige Perioden ihrer Tour-Geschichte zu überblicken. Ich war über einige große Lücken der US-Tourneen 1969 und 1970 verblüfft, für die es keine überlieferten Reisepläne gab. Ken kam mit einigen sehr wichtigen Hinweisen und Erinnerungen, von denen ich die meisten durch Nachforschungen in lokalen Zeitungen der von ihm genannten Städte aufspüren konnte. Eine kleine Zahl von Erinnerungen, die er hatte, war nicht zu belegen. Frühe Shows in Davenport (Iowa), Stratford (Conneticut) und Buffalo (New York) erwiesen sich als besonders beschwerlich, da viele Shows der Zeit kurzfristig gebucht und nur im Radio angekündigt wurden. In einigen Fällen waren die Kinks wahrscheinlich nur Support-Act. Es dauerte fast 15 Jahre, bis ich jemand gefunden hatte, der genügend Erinnerungen an die Stratfort-Show hatte, um sie zu datieren. Ich fand niemanden, der sich an die Show in Buffalo erinnern konnte, bei der Ken lebendige Erinnerungen an die Halle hatte (Shea's Theater). Das Konzert in Davenport konnte ich nie bestätigt finden. Wenn keine schriftlichen Quellen zu einem Ereignis vorliegen, ist es sehr schwer, es genau zu bestimmen und die Fakten zu verifizieren. Details einer der Konzerte der berühmten US-Tour von 1965 (in Spokane, Washington) entzogen sich mir über zwanzig Jahre, und ich fand wirklich erst am letzten Tag, an dem der Text endgültig fertiggestellt werden musste, eine glaubhafte Quelle für die Halle, nachdem ich einen letzten Versuch unternommen hatte, diese Anwort zu finden, die sich mir so lange verschlossen hatte.
Gab es Hilfen von Mitgliedern der Kinks? Haben Ray oder Dave Davies dich bei der Arbeit unterstützt?
Ich hatte Hilfe von vielen der Mitgliedern zu verschiedenen Zeiten. Ich kenne Pete Quaife seit 1986, als ich ihn in Kanada aufspürte; Mick sprach ich in London 1986, und er grub Tour-Infos der Siebziger Jahre für mich aus. Beim gleichen Trip nach London traf ich John Dalton und John Gosling, die beide Informationen aus Tagebüchern beisteuerten, wie das auch John Beecham tat, der sehr detailierte Aufzeichnungen seiner kurzen Zeit in der Band aufbewahrt hat. In der letzten Zeit habe ich Freundschaften mit Jim Rodford und Bob Henrit geschlossen, und sie alle haben mit Informationen ausgeholfen, wenn sie konnten. Sie haben mich immer sehr unterstützt.
Ich wandte mich schon 1987 an Ray und Dave Davies und gab ihnen eine frühe Arbeitsversion der Chronologie, aber zu der Zeit hat keiner von ihnen einen Kommentar abgegeben. Dave hat sich später auf mein Manuskript berufen, als er 1995/6 sein Buch geschrieben hat, und er hat auch Teile meiner Diskographie darin übernommen. Ich assistierte später bei der Zusammenstellung seiner Anthologie, und er fragte mich freundlicherweise, ob ich die Liner Notes der britischen Ausgabe schreiben wolle, eine Aufgabe, die mich geehrt hat. So haben wir letztlich ein sehr freundliches Verhältnis, wenn ich ihn nach Konzerten sehe. Ich habe ihn aber nie mit Fragen über kleine Details bedrängt, da ich wusste, dass ich ihn mit obskuren Geschichtren überhäufen würde, an die er sich eh nicht erinnern könnte. Ray zu guter Letzt, egal wie freundlich er ist, nach den Shows "Hallo" zu sagen, hat nie irgendwelche harten Fakten über sich selbst oder seine Karriere preisgegeben. Ich denke, dass ich früh gemerkt habe, dass er das nie machen würde, und so habe ich meinen eigenen Weg verfolgt, die Antworten so gut, wie es geht, durch Nachforschungen zu finden. In der Rückschau bin ich jetzt froh, dass sich das Erscheinen des Buchs verzögert hat, weil es sowohl eine Erleichterung wie auch eine Hilfe war, dass beide ihre Bücher zuerst veröffentlicht haben. Ich sehe das Buch und die Diskographie als Ergänzung zu ihren Büchern und zu den anderen Autoren, die sich an der Geschichte der Band versucht haben.
Hast du zukünftige Pläne für weitere Bücher über die Kinks? Wie sieht es mit einer revidierten Version der Kinks-Diskographie "You Really Got Me" aus?
Es gibt keine Pläne irgendwelcher Art für weitere Bücher über die Kinks, außer dass die Diskographie gänzlich überarbeitet und aktualisiert werden könnte. Wenn ich das machen würde, dann würde ich das ganze Buch umstellen, da ich mit der Struktur nie glücklich gewesen bin. Sie war mir von meinem ursprünglichen Verleger diktiert worden. Ich sollte dem Format anderer Diskographien folgen, die er veröffentlicht hatte. Letztendlich hatte er das Buch nie veröffentlicht, und ich habe die Rechte zurückerhalten und es selbst herausgebracht. Aber in der späten Phase des Spiels konnte ich nicht erneut von der Startlinie beginnen und meinen Weg gehen, und so machte ich das Beste aus der Form, in der es eben war. Eine Schlüsselereignis, wenn ich an das Buch denke, war, dass die CD gerade zu dem Zeitpunkt als neues Format eingeführt wurde, als ich mit dem Buch begann. So war nicht klar, dass es später das dominante Format in der Plattenindustrie wurde.
Du hast deinen eigenen Verlag "Rock'n'Roll Research Press". Gibt es einen Markt für die Bücher, die du gerne verkaufen möchtest oder musst du mehr ausgeben, als du einnimmst?
Ich habe diese Firma als ein Nebenprojekt gestartet, angespornt von den Möglichkeiten eines Internet-basierten Business. Ich hatte das erste Buch im Selbstverlag herausgebracht ("You Really Got Me" und das Supplement) und wurde in das Projekt eines anderen über Jeff Beck einbezogen. Ursprünglich sollte ich nur bei der Recherche helfen, aber letztlich endete ich auch als Co-Autor und Verleger. Das ging einher mit der Art von unabhängiger Recherche, die ich gerne mache, und ich formalisierte die Arbeit im Hinblick auf zukünftig mögliche ähnliche Bücher. Ein zerschlagener Plan, eine Chronologie der Yardbirds zu machen, führte zu einiger Recherche für ein anderes Buch, das bei Backbeat Books erschien, und das wiederum brachte mir das Angebot ein, meine Kinks-Chronologie bei ihnen zu veröffentlichen. Manchmal kommen die Dinge gut zusammen. Aber um ehrlich zu sein, "R'n'R Research Press" ist schwerlich ein profitables Unternehmen, und ich habe weder viel von einem Verkäufer noch verwende ich Zeit darauf, die Titel zu promoten. Es ist nur ein Ventil für meine Projekte mit der gelegentlichen Möglichkeit, die Titel anderer Leute zu machen, wie das Essay-Buch über die Kinks ("Living On A Thin Line" von Mike Kraus & Tom Kitts). Ich arbeite in Vollzeit als Bibliothekar und ich bin glücklich, wenn ich am Ende des Jahres ein paar zusätzliche Einnahmen durch Buchverkäufe habe. Aber wenn ich die Dollars zähle und gegen die Zeit aufrechne, die ich in die Arbeit stecke, dann wäre es lächerlich. Also ist die Firma wie die Bücher, die ich mache, auch ein "Labour Of Love".
Vielen Dank für die ausführlichen und interessanten Antworten, Doug!
Interview & Übersetzung: Helge Buttkereit
Bearbeitung: Thomas Bartoldus
aktualisiert: 25.12.2003