Ein lauter Abend mit Dave Davies in Potsdam

Etwa 5000 Zuschauer beim Top-Act des Open Air Festivals der Stadtwerke Potsdam

Die Stadtwerke Potsdam haben zur Zeit nicht viel Grund zu feiern. Ihre modernen Straßenbahnen mussten aus dem Verkehr gezogen werden, weil Siemens sich mit der Statik verrechnet hat. Zwar sind wieder einige unterwegs, aber ob auf Dauer, wird sich erst zeigen. Dessen ungeachtet gab es auch in diesem Jahr wieder ein großes Festival, das nach Angaben der Potsdamer Neuesten Nachrichten 35000 Menschen besuchten. Ein Teil von ihnen blieb bis zum Schluss, den ursprünglich Dave Davies bilden sollte. Nachdem allerdings Potsdams Fußballerinnen ihre erste deutsche Meisterschaft geholt hatten, kamen sie zum Abschluss auf die Bühne und sie waren sicher auch der Grund, weswegen viele der Besucher bis zum Schluss ausharrten und es auch kaum bereut haben dürften.
Dave Davies hatte durch diesen Umstand doppelt Glück. Es bot ihm nicht nur die Möglichkeit, vor etwa 5000 Zuschauern zu spielen, sondern er musste auch die Niederlage der Engländer bei der EM nicht live miterleben. Stattdessen hatten er und seine Zuhörer viel Spaß, denn das Konzert war eines seiner besten, auch wenn er nur wenige neue Stücke spielte.

Der kleine Bruder hat sich endgültig aus dem Schatten des großen gespielt. Dies wurde in Potsdam einmal mehr deutlich. Nicht nur, dass sich Dave Davies viel selbstsicherer auf der Bühne bewegt und sich zumindest bemüht, die große Fläche auszunutzen. Er variiert auch beim Gesang. Beispielsweise "Set Me Free" betont er nun anders, und so erobert er sich die Songs immer mehr, die ursprünglich diejenigen seines Bruders sind. Seine Version von "See My Friends" ist ebenfalls schön und sie zeigt das Manko vieler anderer Stücke. "See My Friends" ist auch musikalisch umarrangiert, was sich Davies auch bei den anderen Stücken trauen sollte.

Ein Highlight für viele langjährige Kinks-Fans war "Last Of The Steam-Powered Trains". Zwar ist dies kein neuer Song, aber Dave Davies bringt ihn erstmals seit langen Jahren wieder auf die Bühne und das hat er sicher verdient. Die Version war stark, wenngleich einige Einsätze nicht stimmten und Davies auch nicht ganz textsicher war. Für solche Fälle steht dann immer der Notenständer mit Textblatt bereit. Der Song wurde ausgedehnt und kam auch gut, nur sollte Davies die lärmende Telecaster beiseite legen. Sie ist beileibe keine Sologitarre und eignet sich hauptsächlich für den Rhythmus. Wenn Davies laute Solis spielte, war der getragene Sound von Jonathan Leas Rhythmus-Parts (Lea ist ein wirklich guter Gitarrist!) des öfteren angenehmer. Neben Lea spielte wieder der neue und sehr junge schwarze Bassist Derrick Anderson. Er war auch für den Background-Gesang zuständig, was leider zu oft in der Sound-Mischung unterging, die ansonsten für die Umstände (großes Open Air Festival) brauchbar war. Am Schlagzeug saß erstmals Dave Davies Sohn Simon, der solide spielte, ohne aufzufallen. Nach Informationen aus sicherer Quelle soll Jim Laspesa im Juli wieder bei den Konzerten in den USA spielen.

Dave Davies auf der Leinwand   Simon Davies auf der Leinwand

Eine schöne Version gab es in Potsdam von "Dead End Street", bis dann Davies meinte, seinen Bruder nachmachen zu müssen. Das war unnötig, denn wenn schon, dann hätte er ihn karikieren müssen. Davies bat mehrfach nach Songwünschen, vernahm auch den nachdrücklich gerufenen Wunsch nach "Fortis Green", ignorierte ihn aber. Vermutlich wäre der Song mit der neuen Rhythmus-Sektion auch noch zu schwer gewesen, aber da er schließlich die beste Komposition von Davies ist, sollte er ihn in Zukunft wieder ins Programm nehmen. Nicht fehlen dufte dafür "Death Of A Clown", wo dann überdeutlich wurde, das die Telecaster nur Lärm macht. Zwar versuchte Davies den Song leise zu spielen, eine akustische Gitarre wäre aber die bessere Wahl gewesen. "This is not a rock song, Dave!" Das Publikum sang hingegen gut mit und Davies gelang der Scherz mit dem eingespielten "Lalala" von Rasa Davies aus der Original-Aufnahme sehr gut. Der ganze Song zeigte ansonsten den gewachsenen Show-Man Dave Davies, der nie überzogen wirkt -- wie sein Bruder früher zuweilen -- sondern die sparsamen Einlagen auf sinnvolle Momente begrenzt.

Sinnvoll war, die neuen Songs auf den eigenen größten Hit folgen zu lassen. "Bug" und "Life After Life" blieben allerdings auch die einzigen neuen Stücke. Leider gab es weder das neue "Come To The River" noch weitere Songs vom aktuellen Studio-Album. "Bug" kam gut an und war sicher der frischste Song des Sets, wie man deutlich merkte. "Transformation" dagegen war trotz interessanter muskalischer Ansätze problematisch und zu lang. Das mitlaufende Band wurde (auf Davies Wunsch) zu laut gestellt und so war dann auch der Gesang völlig übersteuert, was bei Davies hoher Stimme in den Ohren weh tat. Ein getragenes "Living On A Thin Line" mit eingespieltem Sythie-Intro folgte zur Erholung, bis dann bei "All Day And All Of The Night" wieder abgerockt werden konnte.

Alte Klassiker gab es auch als Zugabe. Bei "I'm Not Like Everybody Else" passte sogar das Telecaster-Solo und "Twist & Shout" kannten dann wohl auch die jüngeren Zuschauer, die in den hinteren Reihen das Konzert verfolgten und trotz matschigem Untergrund tanzten. Zum Abschluss obligatorisch "You Really Got Me" und dann war Dave Davies auch schon verschwunden, leider ohne den wartenden Fans noch Autogramme zu geben.

Das Konzert zeigte einen gereiften Davies, der jünger aussieht als vor zweieinhalb Jahren, was sicher auch damit zusammenhängt, dass er einige Kilos verloren hat. Die Spielfreude und der Spaß an der Sache übertönten die musikalischen Schwächen der neu besetzten Band. Schade war allerdings, dass Davies zu wenigen neuen Songs zutraute, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Hier sollte er seinen gestiegenen Songschreiber-Qualitäten mehr vertrauen, denn "Creepin Jean" oder "I Need You" kannten im Publikum auch nur die wenigsten. Ein paar Reserven gibt es auch noch in der Instrumentierung. Leisere Töne wären -- auch zur Erholung -- angebracht und da fehlt die akustische Gitarre schon. Ansonsten aber machen Dave-Davies-Konzerte dieser Tage wirklich Spaß!

Links
Setlist
Bilder (andere & größere Versionen)
Interview in den PNN
Review der englischen Ausgabe von Bug (von kinks.de-Autorin Carey Fleiner)

Text und Fotos: Helge Buttkereit

(Seite aktualisiert: 17.6.2004)